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image:Ira Peter im Studio foto by Edwin Bill © Courtesy of Ira Peter - imagofeminae winter 2022 #XXXI
IRA PETER
RUSSLANDDEUTSCHE & DAS EIGENE LEBEN
Reportage & Interview by Dipl.-Psych- Paiman Maria Davarifard
Edited by Ira Peter & Paiman Davarifard
Ira Peter wurde in Kasachstan geboren. Ihre Großeltern waren deutsche Kolonisten in Wolhynien, Westukraine, und wurden 1936 nach Nordkasachstan deportiert. Seit 1992 lebt Ira Peter in Süddeutschland. Sie studierte französische und russische Literaturwissenschaften sowie Psychologie an den Universitäten Heidelberg und Nizza. Heute arbeitet sie als freie PR- und Marketingberaterin, Autorin und Journalistin. Seit 2017 setzt sie sich öffentlich – in journalistischen Beiträgen, sozialen Medien, kulturellen Projekten in Deutschland und der Ukraine, im Podcast Steppenkinder und als Rednerin bei Veranstaltungen – mit russlanddeutschen Themen auseinander. Auf diese Weise möchte sie zu einem ausgewogenen Bild der Deutschen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken in der Öffentlichkeit beitragen sowie Integration und Demokratie fördern. 2021 lebte Ira in Odessa (Ukraine) und berichtete von dort als Stipendiatin des Deutschen Kulturforums östliches Europa.
image:Ira Peter foto by Edwin Bill
© Courtesy of Ira Peter - imagofeminae
winter #XXXI
image: "fremd unter SEINESGLEICHEN"
© Ostbooks Verlag 2020 von (Hg.) Artur Böpple ISBN-10 : 3947270119
image: Ira Peter liest aus dem Buch: "Fremd unter Seinesgleichen" @ Berliner Buchmesse BUCHBERLIN 2021 Arena 21.11.2021 foto: ©2021 imagofeminae
image: von links: Katharina Martin-Virolainen, Carola Juerchott, Ira Peter. Berliner Buchmesse BUCHBERLIN Arena 21.11.2021 foto: ©2021 imagofeminae
imagofeminae: Was erwartest du von der Gesellschaft?
Ira Peter: Ich wünsche mir generell, dass wir uns in Deutschland - egal mit welchem Hintergrund egal ob ich hier geboren oder zugewandert oder wie auch immer - mehr uns füreinander interessieren, uns unsere Geschichten gegenseitig erzählen und auch zuhören, denn ich erlebe oft eine Ignoranz. Ich kann immer nur aus der Perspektive der Russlanddeutsche sprechen. Zufällig gehöre ich zu dieser Gruppe. Ich lebe seit fast 30 Jahren hier und ich weiß, dass die Geschichte der Russlanddeutsche kompliziert ist, aber sie ist auch nicht vollkommen unverständlich. Trotzdem gibt es immer noch wahnsinnig viele Menschen in Deutschland, die überhaupt keinen Plan haben, wer ich eigentlich bin und warum ich hier bin. Ich begegne oft Vorurteilen oder falschen Annahmen wie: “Ach ja ..Du bist..Kasachin", weil ich in der Sowjetrepublik Kasachstan geboren wurde. Dann denke ich mir: Weißt du überhaupt, wie Kasachen aussehen!? Die sehen ganz anders aus. Absolut nichts gegen Kasachen, im Gegenteil. Wir haben uns immer sehr gut mit unseren kasachischen Nachbarn verstanden, meine Eltern haben bis heute engen Kontakt zu ihnen. Aber es geht um Grundwissen: Was bedeutet das eigentlich, in der Sowjetunion geboren worden, aufgewachsen zu sein? Und warum bin ich dann trotzdem Deutsche, obwohl ich da geboren wurde und warum bin ich nach Deutschland gekommen und habe plötzlich einen deutschen Pass? Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen sich für unsere Geschichten interessieren, genauso aber auch für die Geschichten von Menschen, die selbst oder deren Kinder als Arbeiter nach Deutschland eingewandert sind. Wenn wir uns besser zuhören, können wir Vorurteile abbauen, können uns mit Respekt begegnen und dann fühlt sich auch niemand ausgeschlossen. Das Problem ist nämlich, wenn beispielsweise über Russlanddeutsche falsche Informationen über Medien verbreitet werden, dass sie denken: Die Deutschen haben nach 30 Jahren immer noch nicht verstanden, warum wir hier sind. Dann spalten sich manche ab, die machen zu und schaffen sich ihre eigene Community. Dann glauben sie beispielsweise rechtsgerichteten Parteien mehr als Parteien, die sich für das Gemeinwohl einsetzen. Das ist die Gefahr. Man muss alle Menschen, die in Deutschland leben, einschließen, in den Medien, in den öffentlichen Debatten u.s.w. und das wünsche ich mir.
imagofeminae: Ist das die Teilhabe, was du möchtest?
Ira Peter: Es gab im Herbst in einem großen deutschen Medium ein Interview mit der Russlanddeutschen Helene Fischer. In dem fragten die Redakteur:innen die Musikerin nach ihren „russische Wurzeln“. In der Regel haben Russlanddeutsche keine russischen Wurzeln, sondern deutsche. In solchen Fällen würde ich mich wünschen, dass Medienmachende sorgfältiger recherchieren. Mich persönlich greift das nicht an, aber ich weiß, dass manche Menschen mit russlanddeutschem Hintergrund das verletzend finden, weil sie in der Sowjetunion stigmatisiert wurden als „die Deutschen", als "die Faschichen". Ihr ganzes Leben lang mussten sie darunter leiden, und hier sind sie plötzlich Russen, Kasachen, was einfach falsch ist. Ja Teilhabe ist wichtig und dazu gehört, dass man mit echtem Interesse und respektvoll auf einander zugeht.
imagofeminae: Welche Frauenbilder existieren bei den russlanddeutschen Communities?
Ira Peter: Zu den Frauenbilder fange ich zuerst mit meiner eigenen Familie an. Ich habe mich vor vier Jahren selbständig gemacht und lebe vielleicht nicht das Leben, was meine Familie sich für mich wünschen wurde. Also ich bin viel unterwegs, ich habe mein eigenes Business, ich bin niemand, der gerne zuhause rumsitzt. Das war am Anfang schwierig zu akzeptieren für meine Eltern, weil sie zu dieser Generation der Sowjetmenschen gehören, wo Rollenbilder klar verteilt sind. Frauen haben zwar auch in der Sowjetunion immer gearbeitet, aber sie waren auch die Haushaltsmanagerinnen und oft allein für die Carearbeit zuständig. Ich kenne genug Russlanddeutsche, in meiner Generation auch, die hier aufgewachsen sind oder die sind hier teilweise geboren worden, die aber diese Rollenbilder weitertragen, dass der Mann das Geld verdient und die Frau sitzt mit den Kindern zuhause. Ich habe mich gegen dieses Modell entschieden. Das akzeptiert mittlerweile auch meine Familie. Sie freuen sich auch für mich, weil sie sehen, dass mich das, was ich tue, glücklich macht. Gleichzeitig sorgen sie sich um mich, wenn ich in Ländern wie Kasachstan oder Ukraine unterwegs bin. Sie haben die zerfallende Sowjetunion Anfang der 1990er verlassen und verbinden den ganzen Ostblock mit Gefahr, Unrecht, Anarchie. Aber diese Länder haben sich in den vergangenen 30 Jahren weiterentwickelt. Vielleicht existieren überholte Rollenbildermehr bei Menschen, die einen russlanddeutschen Migrationshintergrund haben. Aber falls es so ist, ist es die Aufgabe unserer Generation dagegen anzukämpfen. Mir ist es wichtig , dass Männer und Frauen gleichbehandelt werden, dass sie bei gleicher Arbeit gleich entlohnt werden, dass sie die gleichen Chancen haben auch bei der Rente und dass Carearbeit gleichermaßen von Männern und Frauen getragen wird.
imagofeminae: Wie war deine Lesung in Berlin?
Ira Peter: Ich finde es schön, dass Katharina (Katharina Martin-Virolainen) und ich die Möglichkeit hatten, uns einem breiteren Publikum vorzustellen. Wir haben beide russlanddeutsche Wurzeln und sind auch im Literaturkreis der Russlanddeutschen. Man ist meistens in seiner eigenen Community, und ich glaube es ist ganz wichtig, dass wir rausgehen aus der Community. Die Messe hier in Berlin ist die perfekte Plattform, um einfach Zugang zu anderen Communities zu finden, um sich auszutauschen, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, weil unsere Themen sind, glaube ich, exemplarisch für die Themen vieler Menschen mit Migrationsgeschichte hier in Deutschland. Wir haben ganz viele ähnliche Biografien, viele ähnliche Herausforderungen, selbst mit den Ostdeutschen. Sie haben zwar keinen klassischen Migrationshintergrund, aber in ostdeutschen Biografien gibt es auch diese Brüche, die ganz ähnlich sind zu den Biografien von den Menschen, die aus der Sowjetunion oder postsowietischen Staaten eingewandert sind. Ich glaube, wenn wir gegenseitig diese Geschichten erzählen, dann schaffen wir auch viel Verständnis für einander. Und das sichert die Demokratie in unserer Zukunft.
IRA PETER - BERLINER BUCHMESSE 21.11.2021
REPORTAGE & INTERVIEW
RUSSLANDDEUTSCHE & DAS EIGENE LEBEN
by Dipl.-Psych. Paiman Maria Davarifard
EDITED BY IRA PETER & PAIMAN DAVARIFARD
Language: Deutsch/German- imagofeminae 2022 Nr. XXXI
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