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Video: VIVIANA URIONA l. mit der Moderatorin Ulrike Hempel r. @ Rosa Luxemburg Stiftung 22.06.2017 in Berlin. © imagofeminae 2017 - Eine Videoreportage von Dipl.-Psych.Paiman Maria Davarifard
Dr. des. Phil. VIVIANA URIONA ist Politologin, Medienaktivistin und Filmemacherin. Sie hat zu sozialen Bewegungen und freien Radios in Lateinamerika an der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam zum Thema: "Sie senden den Wandel – Community-Radios als gegenhegemoniales Projekt am Beispiel Argentinien" promoviert. Sie ist in Deutschland wie auch im Ausland in transnationalen Projekten engagiert.
image: © Courtesy of Viviana Uriona
"fake news" & "alternative facts"
von Dr. des. Phil. Viviana Uriona
Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin 22. Juni 2017 Vortrag & Diskussion Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation einer emanzipatorischen Bildung Moderation: Ulrike Hempel Reihe: Salon Bildung
Der Begriff „fake news“ ist ein Modebegriff und trotzdem enthält er eine richtige Fragestellung. Wir alle wollen Verlässlichkeit von Informationen und fühlen uns beleidigt oder instrumentalisiert, wenn wir an Informationen glauben, von denen sich hinterher herausstellt, dass sie eine gestellte Lüge waren. Darüber hinaus fühlen wir uns auch behindert in der eigenen politischen Argumentation, wenn Gruppen, die unseren politischen Gegner darstellen, erfolgreich andere Menschen überzeugen mit der Kreierung von falschen Nachrichten. Diese Gemengelage spricht die Relevanz des Begriffes „fake news“ an.
Es ist letztendlich in unserem alltäglichen Erleben von der Nachricht eine Problematik, die auch eine ganz einfache menschliche Grundlage verletzt, weil die Verlässlichkeit von Informationen unsere Wahrnehmung von der Wirklichkeit betrifft. Wir können uns nur ein Bild von der Welt machen, wenn dazu eine Grundlage bereit gestellt ist. Diese Grundlage besteht auf Bilder und Aussagen, die wir uns aus den Nachrichten holen. Denn wir können nicht überall dabei sein. Und wir sind darauf angewiesen, dass eine verlässlicher Basis existiert für unsere Meinungsbildung und auch für die Auseinandersetzung mit politischem Gegner. Wir sind idealerweise davon abhängig, dass die Information schon mal stimmt und nur die Bewertung in den politischen Diskurs hinübergehen wird. Deswegen meine ich, dass der Begriff der „fake news“ ein Modebegriff ist, der aber uralte Kategorien des menschlichen sozialen Miteinanders anspricht. Insofern finde ich es nicht relevant, wie dies benannt wird, denn die Menschheit hat sich schon immer über Lügen aufgeregt. Allerdings sprechen wir gerade heute darüber, weil dass die Ebene ist, auf der die Diskussion gerade geführt wird. Es bestehen aber weitere andere Ebenen, die schon in der Einladung ihren Platz gefunden haben, und ich hoffe, dass Sie hierhergekommen sind, um mehr über diese Ebene mit mir zu sprechen und eventuell mehr dazu zu erfahren und weitere Schlussfolgerung versuchen gemeinsam in der Diskussion zu erreichen. Wir gehen jetzt einen ganzen Schritt zurück und überlegen uns, was wird als verlässliche Information betrachtet? Wir sind alle groß geworden in einer Zeit, wo es von seriösen Zeitungen, seriösen Fernsehsender oder Radiostationen die Rede war. Wir sind groß geworden mit Sätzen wie folgende:
• Sie haben sicher alles gut recherchiert
• Sie müssen es ja wissen.
• Sie sind ja Profis usw.
Wir konnten und wollten uns früher darauf verlassen, dass alles, was über die Medien an uns herangetragen wurde, „real news“ waren. Aber war das also? Lassen wir jede politische Lage oder Auffassung außen vor und versuchen wir eine philosophische Betrachtung des Ganzen. Dann wage ich die These zu behaupten: Falsche Nachrichten sind systemimmanent. Ganz egal welche Transportkanäle dafür genutzt werden, ob über das Internet oder über die so genannten klassischen Kanäle, dafür müssen wir uns nur wenige Fragen stellen, um nachzuvollziehen, was ich mit der These meine, wenn ich sage: „Falsche Nachrichten sind systemimmanent“:
1. Wie werden Nachrichten gestaltet? [Hierarchische Struktur /Redaktionsgruppe]
2. Was ist der grundlegende Prozess, in dem Wahrheit kreiert wird?
3. Wer tut das?
4. Unter welcher hegemonialen Struktur findet das ganze statt?
5. Wer hat welchen Background, um Wahrheit zu beurteilen?
6. In wie weit ist das Setzen von Wahrheit untrennbar mit einem Herrschaftsdiskurs verbunden?
So betrachtet, waren und sind Nachrichten schon immer „fake news“. Denn sie entsprachen dem Interesse der herrschenden Klasse, sie wurden betrachtet unter dem Blickwinkel des gebildeten Bürgertums. Die Nachrichten waren (und sind im Großen und Ganzen weiterhin) in einem sehr einfachen Muster kreiert:
• Experten werden interviewt. Im besten Fall verschiedene Extreme, um den Anspruch an die so genannten objektive (mittlerweile ausgewogene) Berichterstattung zu bewahren.
• Es gab schon immer eine Kommentarstimme, die uns alles erklärt, was damit gemeint ist und sie präsentiert sich so, als ob sie die goldene Mitte dazu bilden könnte.
Das ist aber nicht die Lebensrealität der Wahrheit, sondern das Resultat eine kleine Anzahl von Menschen, die berufsmäßig dafür beauftragt sind, gesellschaftliche Realität zu erzählen, die sie meist nicht mal selbst erleben, erlebt haben und sie noch weniger erleben werden. Wenn wir uns tatsächlich „real news“ wünschen, müssen wir uns eine sehr radikale Frage stellen und eine 180grad Wende wagen: Ich bin der Meinung, dass die allererste Frage, die wir uns stellen sollten, ist die:
Welches Setting brauchen wir, um „real news“ erstellen zu können?
• Trennung vom Sender und Empfänger
• Wir müssen das Ziel einer Durchmischung erreichen/ Rotation/ Verantwortlichkeiten
• Die allgemeine Bevölkerung einbinden in die Art der Berichterstattung und nicht ein anderes finanziertes Redaktionsteam mit anderen politischen Themen bilden.
• Schlussendlich: die Vielen müssen mit den Vielen Medien machen.
Was die von mir 180grad genannte Wende betrifft, ist die entschlossene Haltung eine emanzipatorische Gesellschaft - - gemeinsam zu gestalten. Das scheint schwer vorzustellbar, weil wir hier in dieser Gesellschaft geprägt sind. Von einem Diskurs der objektiven bzw. ausgewogenen Berichterstattung, der Professionalität und der Macht der Technik. Ja, es ist schwer. Es ist auch einen langen Weg. Aber es ist nicht unmöglich. Ich komme zu meinem letzten Punkt: das Internet.
Das Internet ist in diesem Bezug ein Trugschluss, wenn wir davon ausgehen wollen, dass nur dieser Kanal es sein wird, der etwas schaffen kann, was die klassischen Medien bis heute nicht erreicht haben. Warum? Weil „wie immer wenn etwas Neues im Entstehen ist, ahmt die Form das Alte nach“. (Kutche-Autos). Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die „NachDenkSeiten“ funktioniert also nicht anders als die verkleinerte Redaktion des Sterns: Mit Köpfen, Meinungsführern usw. Diese Personen sind diejenigen, die -mehr oder weniger- die Struktur und die Art des Arbeitens bestimmen, also eine ganz klassische Redaktion. Ein weiteres Beispiel sind die unzähligen Einzelgänger, die vor dem Rechner sitzen. Ich nenne sie immer gerne: einzelne verirrte Seelen, die gar nicht unbegabt sind, aber niemand zum Spielen haben.
Trauriges Schicksal! An diesem Beispiel ist offenkundig, was fehlt. Es fehlt das kollektive Korrektiv innerhalb einer Gruppe. Also es fehlt ein kollektive und emanzipatorische Arbeit. Kurz gesagt „Macht mit anderen zusammen und vermeidet, der Boss zu sein. Gruppen ohne Hierarchien. Welche Mittel hat eine emanzipatorische Bildung zur Hand, sich diesen Herausforderungen zu stellen? Viele. Verkürzt: Das Begreifen eines Systems ändert noch nicht dessen Mechanismen. Veränderung ist nur denkbar, wo neue Systeme (materiell) eröffnet werden, die neue Regeln und neue Anpassungen erforderlich machen. Dies kann nicht im Kopf geschehen, sondern muss sich in der Realität verorten. Der Mensch muss eine praktische Veränderung durchleben, um sich daraus selbst verändern und so auch selbst eine Veränderung der Struktur durchführen zu können. Was bedeutet in diesem Sinne Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation emanzipatorischer Bildung? Das bedeutet u.a.: Entmystifizierung der Technik als ein Empowerment-Mechanismus.
Es ist notwendig, sich mit Konzepten der Professionalisierung in der Gestaltung von Medienproduktionen zu befassen: Die Fähigkeiten und das Wissen einiger Weniger müssen (nachgeahmt), erkundet, begriffen, hinterfragt, kritisiert und dann umgewandelt werden in ein breites Wissen und breite Fähigkeiten für den Zweck einer gegenhegemonialen Berichterstattung. In diesem praktischen Prozess ist der Erwerb technischer Fähigkeiten nicht mehr zu trennen vom Prozess politischer Aufklärung.
Wir müssen auch nicht das Rad neu erfinden. Wir können heute auf ganz viele Beispiele aus der ganzen Welt - auch dank des Internets – zurückgreifen. Ohne Hoffnung hat diese Mühe keinen Anfang. Der deutsche Philosoph Ernst Bloch schrieb, „es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Seine Arbeit entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt statt ins Scheitern.“ Bloch, E. [1959] Wer das Gelingen sucht, wer Hoffnung lernen will, braucht hoffende und handelnde Vorbilder. Die gibt es.
Ein Beispiel dazu bietet unsere Dokumentarfilm *„Sachamanta“ (Hier ein 5 min. Schnitt aus diesem Film über eine soziale Bewegung um das Jahr 2000 in Nord Argentinien, die sich entschloss, ihre eigene Radiosendung zu bauen. Interviews mit Beteiligten dieser Bewegung und dieses Radios, die hier uns erklären, was für eine Bedeutung diese Bewegung und dieses Radio für sie hat/ bzw. haben wird.)
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*SACHAMANTA Ein Dokumentarfilm. https://www.kameradisten.org/sachamanta-ansehen/
Regie: Viviana Uriona.
image: Still aus dem Film SACHAMANTA - Regie: Viviana Uriona Copyright©kameradisten.org. Bild : Aus der Reportgae "fake news & alternative facts"imagofeminae 2017
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*SACHAMANTA https://www.kameradisten.org/sachamanta-ansehen/
Ohne Rast. Ohne Eile - Dokumentarfilme des Espejo-Projektes der KAMERADISTEN.ORG Regie: VIVIANA URIONA - Schnitt & Postproduktion: Nora Wetzel- Kamera: Mark Uriona, Viviana Uriona Sebastian Ziccarello Partizipative Kamera: Protagonistinnen- Dramaturgie: Viviana Uriona, Nora Wetzel, karen Francia- Musik: Raly Barrionuevo, Peteco Carabajal und El Duende Garnica - Tonbearbeitung: Jan und Ute Böhning - Übersetzungen: Rebecca Ellis & Yvonne Franke. Salon Bildung: Dr. Stefan Kalmring- Marcus Havel. Rosa-Luxemburg- Stiftung.
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Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation einer emanzipatorischen Bildung. Vortrag & Diskussion bei Rosa-Luxemburg-Stiftung. Reihe: SALON BILDUNG. Berlin 22. Juni 2017. Moderation: Ulrike Hempel Reihe: Salon Bildung "fake news & alternative facts" Vortrag & Diskussion Eine Videoreportage von Dipl.-Psych. Paiman Maria Davarifard. imagofeminae.com summer 2017 # XV © imagofeminae.com ISSN 2195-2000 Deutsche Nationalbibliothek ALL RIGHTS RESERVED.
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